Was für eine wichtige Quelle die Bildberichterstattung für die Dokumentation der Filmgeschichte ist, zeigt die Arbeit von Pressefotografen und Bildreportern, die meist im Auftrag der Filmwirtschaft und Fachpresse schnelle Bildnachrichten aus der Welt des Films lieferten. Diese Arbeiten, früher meist zu Werbezwecken der Filmindustrie für das Produkt Film entstanden, erlauben uns heute als zeitgeschichtliches Dokument einen Blick auf die schnelllebige Film- und Kinokultur längst vergangener Tage.
Die Bildersammlung aus dem Nachlass des Bildreporters Horst Janke (6.8.1920 Berlin – 19.4.1993 Hamburg), welche die Landesbildstelle Hamburg im Juni 1995 erwarb, ist aufgrund ihres Umfanges und der chronologischen Kontinuität für die lokale Film- und Kinogeschichte Hamburgs ein Dokument besonderer Güte.
Der gebürtige Berliner Janke, dessen Berufswunsch Kameramann beim Film zu werden durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges nicht zur Erfüllung kommt, beginnt nach dem Krieg in Hamburg die Ausbildung zum Fotografen an der Fotoschule Hamburg mit dem Abschluß der Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer 1948. Erste Fotoaufträge erhält er durch die „Motion Picture Export Association“ (MPEA). Ab Ende der 40er Jahre arbeitetet Janke als Pressefotograf, der sich vor allem auf die Dokumentation der kulturellen Ereignisse in Hamburg wie z.B. Film- und Theateraufführungen, Konzerte und Modenschauen spezialisiert. Im Laufe der 50er Jahre konzentriert er seine Arbeit insbesondere auf Bildberichte rund um den Film (Filmreporter), wo er in Hamburg durch gute Kontakte zu den Pressechefs so etwas wie eine Monopolstellung inne hat. Nach Fotoberichten aus den Behelfsateliers der Real- Film Hamburg folgen Aufträge für amerikanische Filmfirmen wie MGM, United Artists, Fox und Columbia; außerdem für deutsche Verleihfirmen wie Allianz, Constantin, Europa, Gloria und Herzog, die u.a. in Hamburg ihre Filialbüros unterhalten. Janke dokumentiert den Wiederaufbau und die Neuentwicklung der Hamburger Film- und Kinobranche. Er hält die Werbearbeit der ortsansässigen Filmverleiher fest, deren Reklameaufwand sich z.B. in Werbeaktionen, Großflächenplakaten, Innen- und Außendekoration der Kinos und von Werbestrategen gestalteten Schaufensterfronten und Fahrzeugen bekundet. Ebenso ist er bei Presseempfängen sowie festlichen Filmpremieren und Filmtheatereröffnungen zugegen, macht dort Aufnahmen von Filmstars, Regisseuren, Produzenten, Verleihern, Filmtheaterbesitzern sowie Besuchern und Filmfans. Kinoarchitektur wird von der Fassade bis zur Innenaustattung mit temporären Dekorationselementen, Süßwarenständen, Kassenhäuschen, Bühnen- und Vorhanggestaltung etc. festgehalten. Janke beobachtet die Hamburger Filmproduktion und macht im Atelier oder bei Außenaufnahmen in und um Hamburg Fotos vom Set, von Darstellern und Regisseuren, die als sogenannte „Mitteilungen aus dem Atelier“ oder „Berichte aus der Filmproduktion“ in die Fachpresse lanciert werden. Außerdem besucht er im Auftrag von Filmzeitschriften wie „Film-Revue“ und „Star-Revue“ Stars und Sternchen, um sie für sogenannte „Homestorys“ in ihrem Heim zu fotografieren.
Auch bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin ist Janke als Bildberichterstatter tätig. Ab den 60er Jahren ist die Dokumention des noch jungen Mediums Fernsehen ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit. In seinen letzten Berufsjahren ist Janke von 1975 bis 1985 bei der Ufa-Kinokette in Hamburg in der Theaterleitung für den Bereich Werbung verantwortlich. Anläßlich einer Ausstellung in der Landesbildstelle Hamburg 1958 beschreibt der damalige Direktor Fritz Kempe die besondere Art der Arbeit von Janke: „Horst Janke erlernt also ganz regulär die Fotografie – um schließlich doch im Bannkreis des Films zu landen. Dort fühlt er sich wohl, denn an Gelegenheiten zur ironischen Betrachtung dieses Metiers der Mystifikationen und Eitelkeiten mangelt es nicht. So kommentieren sich seine Fotos schließlich selbst als ein Beitrag zur Psychologie der Massen und derjenigen, die von der Gunst der Massen leben.“
Zwei Jahre nach Jankes Tod erwarb die Landesbildstelle Hamburg aus seinem Nachlass den Teil des umfangreichen Fotoarchivs, der sich hauptsächlich mit Film- und Fernsehereignissen beschäftigt. Der Nachlass dokumentiert einen Zeitraum von gut 25 Jahren Hamburger Nachkriegsfilm- und Kinogeschichte von 1949-1976. Der Kern besteht aus schätzungsweise 16.000 mittelformatigen Schwarz-Weiß-Negativen, die weitgehend chronologisiert in zehn grünen Archivboxen ins Haus kamen. Außerdem etwa 1.000 Negative im Kleinbildformat, welches Janke ab 1969 bevorzugte. Dazu kommt noch eine nicht genau bestimmbare Vielzahl von teilweise grob vorsortierten 13x18- Positiven, einigen 18x24-Abzügen und vereinzelten Großformaten. Um einen Zugriff auf die Bildersammlung zu ermöglichen wurde nach Sichtung der vorhandenen Materialien und einer ersten Bestandsaufnahme ein Konzept für die Aufarbeitung bzw. Neuordnung der Negative und Positive für das Bildarchiv der Landesbildstelle erarbeitet. Dabei steht das Erfassen der Negative, sämtlich lose Einzelbilder, im Mittelpunkt. Einfache Briefumschläge bewahren hier Sequenzen von bis zu ca. 50 Aufnahmen. Diese sind vom Fotografen mit verkürzten Stichworten zu dem jeweiligen Ereignis wie etwa Ort und Name der Begebenheit, Auftraggeber etc. beschriftet und ab 1951 mit Tagesdatierungen versehen worden. Nach einer vorläufigen Inventarisierung der ersten 5 Jahrgänge wird heute das Material digitalisiert und in der Bilddatenbank bearbeitet.
Dabei gilt es immer wieder, die Umstände und Hintergründe der hier abgebildeten Ereignisse und Vorgänge durch intensive Recherche zu erforschen, und sich ein Bild von der damaligen Filmund Kinokultur zu machen, um in wahrer „Detektivarbeit“ so manches Rätsel zu lösen. Oft findet sich der Bearbeiter beim Stöbern in die Fachpresse und Literatur versunken wieder und kann sich als Filmfreund beim Anblick der zahlreich abgebildeten Leinwand-Prominenz einer gewissen Faszination nur schwer entziehen. Der Verehrerandrang auf Stars wie Jean Marais, O.W. Fischer oder Sophia Loren und das enthusiastische Interesse an Kinoeröffnungen, wie 1957 das „Savoy“ am Steindamm oder 1958 der „Ufa-Palast“ am Gänsemarkt, wirken heute teilweise nostalgisch und fremd. Doch mit Jankes Bildern wird sie wieder lebendig, die Welt des Starkults und des Kinobooms der 50er Jahre. So ist es ein Glück, gerade für eine Stadt wie Hamburg, die schon immer ein wichtiges Film- und Kinozentrum war, dass ein Teil ihrer Filmkultur und die Zeugnisse verlorener Kinoarchitektur in Jankes Bildern festgehalten wurden, und sich so für die Nachwelt konserviert hat. Zudem ist die Aufarbeitung und Bewahrung des Horst-Janke-Archivs nicht nur unter filmhistorischen und stadtgeschichtlichen Gesichtspunkten, sondern darüber hinaus für Themenbereiche wie Mode, Architektur oder Werbung ein zeitgeschichtliches Dokument von besonderer Bedeutung.
Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, das umfangreiche Material vollständig zu erschliessen, um einen optimalen Zugriff zu ermöglichen.
Interessierte wenden sich an: Uwe Kiemer oder Beate Christians (Landesmedienzentrum, Kieler Strasse 171, Tel.: 040 - 428 01-5306).