Als Kind in Witten war ich besonders vom Theater angetan und wollte daher nur eines: Irgendwie dabeisein. Zunächst hatte ich vor, Bühnenbildner zu werden, aber als ich mich bewarb, hieß es: “Leider momentan keine Stelle frei - doch wie wäre es, wenn Sie als Maskenbildner bei uns anfangen würden?” Da sagte ich mir, “Bildner” zu sein, daß hat ja auch indirekt etwas mit “Bildern” zu tun und so fing ich als Friseur und Maskenbildner an.
Durch eine Zeitungsanzeige erfuhr ich, daß man bei der Berlin-Film Maskenbildner suchte. Man nahm mich sofort. Doch mitten im Krieg wollte mich mein Chef in Hagen zunächst nicht gehen lassen. Da schaltete mein neuer Arbeitgeber in Berlin das Reichspropagandaministerium ein und wies auf die “kriegswichtige” Filmproduktion hin. Durch eine Zeitungsanzeige erfuhr ich, daß man bei der Berlin-Film Maskenbildner suchte. Man nahm mich sofort. Doch mitten im Krieg wollte mich mein Chef in Hagen zunächst nicht gehen lassen. Da schaltete mein neuer Arbeitgeber in Berlin das Reichspropagandaministerium ein und wies auf die “kriegswichtige” Filmproduktion hin.
Im Prinzip schon. Der Maskenbildner ist meistens bereits bei den vorbereitenden Arbeitsbesprechungen anwesend. Dort macht der Regisseur mit dem Drehbuchautor, Architekten, der Technik, eben dem gesamten Stab, eine sogenannte “Regiebesprechung” zur Feinabstimmung. Beim “Die russische Revolution” (1967), sagte der Regisseur Wolfgang Schleif beispielsweise zu mir: “Herbert, engagiere Du mal alle Schauspieler außerhalb der Hauptrollen, denn Du weißt am besten Bescheid, wer dafür in Frage kommt.” Mit den Besetzungsfragen der Nebenrollen wollte er also gar nichts zu tun haben. Ich konnte mir dann gleich die Schauspieler suchen, die vom Gesicht her zu den Rollen und der Zeitepoche am besten paßten. Bei den eigentlichen Dreharbeiten ist natürlich auch die Zusammenarbeit mit dem Kostümbildner besonders eng, da wird Hand in Hand gearbeitet.
Ich konnte bei meiner Arbeit durchaus solche Vorschläge machen, die allerdings nicht immer akzeptiert wurden.
Sicher, da gab es Regisseure, die sagten: “Herbert, so möchte ich den Schauspieler geschminkt haben!” Einige legten Wert darauf, immer mit möglichst demselben technischen Stab zusammenzuarbeiten. Sie sagten: “Mit den Leuten brauche ich nicht mehr zu sprechen, die wissen, was ich will, das ist eine große Erleichterung für meine Arbeit.” Es war Glück, wenn man zu so einem “Team” gehörte.
Ja, abgesehen von den Anfängen meiner beruflichen Tätigkeit in Hamburg. In den sechziger Jahren beim ZDF hatte ich Jahresverträge. Als Freischaffender konnte ich aber über meinen Fundus frei verfügen. Mit zahlreichen Perücken, falschen Bärten usw., konnte ich zusätzliches Geld verdienen, denn die wurden gleichsam mit meiner Person mitgemietet - und so eine Perücke hätte in den fünfziger Jahren pro Tag bis zu 50 D-Mark Leihgebühr für den Produzenten gekostet. Das war auch einer der Gründe, warum ich viel engagiert wurde. Es hieß immer: “Der Herbert hat wirklich alle Perücken vorrätig!”
So ganz stimmt das nicht. Hans Dublies vom Schillertheater in Berlin hat Hans Albers überwiegend die künstlichen Haare, also die Toupets, gemacht. Denn der Albers ist berühmt geworden mit seinen falschen Haaren! Privat habe ich ihn gekannt. Wenn er hier in Hamburg im Hotel “Atlantic” abstieg, rief er mich öfter an, obwohl wir nie einen Film zusammengemacht haben. Denn immer, wenn ein neuer Film mit ihm in Hamburg gedreht wurde, war ich mit anderen Projekten befaßt - das Schicksal eines Freischaffenden!
Wenige, das war letztlich gar nicht so problematisch. Daß jemand eine richtige “Schminkvergiftung” gehabt hätte, habe ich in meinen fast fünfzig Berufsjahren nicht einmal erlebt. Natürlich bin auch nicht, wie viele andere Maskenbildner, mit einer einzigen Puderquaste für zehn Menschen herumgelaufen. Bei mir hatte jeder Schauspieler seine eigene Quaste mit Namensschild.
Gestört hat es mich manchmal schon, so wenig Beachtung zu finden. Kritiker regen sich über schlechte Schauspielleistungen und ungenügende Ausstattung auf, doch über die Maske wird kein Wort verloren. Das war schon damals so, als ich noch bei der UFA war, da hieß es immer salopp: „Ach, der Theaterfriseur!“. Oder die alten Schauspieler, die teilweise vom Theater kamen, die kannten keinen anderen Ausdruck und sagten einfach: „Der Friseur soll mal herkommen!“. Dann haben wir Maskenbildner uns bei der UFA gewerkschaftlich organisiert und waren später sogar die bestorganisierteste Filmtechnikersparte. Eine der Forderungen von uns wurde bald erfüllt: Daß die Credits [=Angaben im Filmvorspann] nicht mehr von „Friseur“ oder „Frisuren“ sprachen, sondern daß dort die richtige Berufsbezeichnung „Maskenbildner“ genannt wurde.
Ja, und heute ist der „Maskenbildner“ sogar ein vierjähriger Lehrberuf, die Berufsbildbeschreibung bewahre ich sogar hier zu Hause auf.
Daß ist wie in jedem Beruf: Manche lernen’s richtig und manche lernen’s nie - genauso wie beim Tischler- oder Schreinergewerbe. Da gibt es einen Möbeltischler, der kann wunderbare Möbel bauen und der andere macht 08/15-Möbel.
Natürlich, das kam schon vor. Allerdings hat man das, was man besonders schön hinbekam, dann auch versucht, vor Kollegen geheimzuhalten, quasi als Berufsgeheimnis. Da wurde man dann gefragt: „Wie hast Du das eigentlich gemacht - zum Beispiel diese Narbe, die sah ja unwahrscheinlich echt aus!?“ Und ich antwortete: „Kollege, das mußt Du selbst ‘rausfinden!“ Da gibt es viele Kniffe und Tricks, die verrät man als Freischaffender einfach nicht.
Ja, aber es gab das Problem mit den strengen US-Gewerkschaftsvorschriften, die eigenständiges Arbeiten fast unmöglich machten. Das war genau wie in London, wo ich einmal tätig war, wo die Produktionsfirma zusätzlich einen englischen Maskenbildner engagieren mußte, der nur morgens einmal vorbei kam und „Guten Tag!“ sagte, bevor er wieder abhaute. Wurde voll bezahlt, doch die ganze Arbeit habe ich dann alleine gemacht.
Nein, eigentlich nicht. Wenn ich da zum Beispiel an den hier in Hamburg entstandenen Film „Toxi“ (1952) denke, wo es um das Schicksal eines Mischlingskindes ging, da klappte die Zusammenarbeit mit Elfie Fiegert ganz hervorragend. Die Kleine, die wir alle nur Toxi nannten, obwohl das ihr Rollenname war, war überhaupt nicht zappelig, da war gar kein besonderes Einfühlungsvermögen nötig. In den Drehpausen haben ich ihr zur Belohnung dann einen großen Wunsch erfüllt: Zusammen kurvten wir auf meiner Lambretta, mit der ich morgens immer zur Arbeit kam, durch das REALFilm- Studio in Wandsbek.
Ja, sicher, Komparsenauftritte hat es gegeben. Aber für eine richtige Sprechrolle, da hat es ohne schauspielerische Erfahrung nicht gelangt.
Nur die Filmproduktion, die daraus entstand. Die Theatermaske hatte mein Kollege Herbert Lenkeit gemacht, der aber für die Dreharbeiten nicht zur Verfügung stand.
Das war für einen Revuefilm mit Marika Rökk. Das Affenfell und die andere Ausstattung stammt allerdings nicht von mir, nur den Kopf und die Perücke habe ich angefertigt.
Den kenne ich, er erinnert mich immer an diese bewußte Affenmaske aus meinem Revuefilm. Die wurde ja auch perfekt dem Gesicht des Schauspielers angepaßt: Die Augen und Ohren mußten frei und die Gesichtszüge bis zu einem gewissen Grad beweglich sein, damit er Grimassen ziehen konnte. Mit einem Gipsabdruck das Gesicht zu modellieren, mit Gummi zu überziehen und die Perücke anzupassen, das war wirklich viel Arbeit. Ähnlich wie bei dem Film über Tolstoi, wo ich über zwei Stunden am Bart des Hauptdarstellers arbeitete. Ich habe es mir bewußt schwer gemacht, um den historischen Vorlagen möglichst genau zu entsprechen. Aus der Hand ankleben, d.h. einzelne Barthaare einfügen statt einen fertigen Vollbart zu verwenden, das wirkt echter: Man sieht richtig, wie die Haare aus der Haut herauskommen, was für Nahaufnahmen natürlich sehr wichtig ist.
Das war immer eine besondere Herausforderung. Das machte Spaß. Trotzki, Friedrich der Große, alle habe ich versucht zu rekonstruieren. Michael Vogeler als berühmter Komponist Verdi mit dem charakteristischen Bart, ist mir besonders gut gelungen. Als wir ins Atelier kamen, haben alle applaudiert und gesagt: „Der sieht aber absolut echt aus!“. Das war für mich die größte Anerkennung.
Ist schon vorgekommen. Nur heute braucht man solche aufwendigen Schminktechniken wie früher gar nicht mehr. Die Komparsen beispielsweise werden schon seit Jahren überhaupt nicht mehr geschminkt. Das hat mit der Ausleuchtung zu tun, die starken Scheinwerfer wie früher sind bei heutigem Filmmaterial gar nicht mehr nötig. Vieles hat sich auch mit Farbfilm-Einführung geändert. Damals haben sich die Kameramänner und Maskenbildner mit dem Schminken sehr schwer getan und viel herumprobiert - welches Make-up z.B. besser zu Agfa-Gaevert- oder zu Kodak-Material paßt.
Die Dreharbeiten dauerten 7 Wochen. Es gab dort ein Filmatelier, wo die chinesischen Kollegen Dekorationen für uns aufgebaut hatten. Ich mußte einheimische Maskenbildner engagieren, da ich die Masse der Schauspieler und Komparsen gar nicht bewältigen konnte. Die Zusammenarbeit mit den Chinesen war nicht unproblematisch, aber teilweise sehr lustig: Eine Verständigung war nur über einen Dolmetscher möglich. Die einheimischen Filmmitarbeiter waren sehr humorvoll: Wenn es an das Abschminken der Komparsen ging, karrten sie einfach Berge von Toilettenpapier heran, jeder bekam eine Rolle in die Hand gedrückt, dann begann das große Gesichtabwischen - das wäre bei uns in der Tat undenkbar, allein der Anblick einer solchen Klopapierrolle hätte unter den deutschen Schauspielern einen Aufstand ausgelöst!
Nein, das machten wir alles von unseren Hotel aus. Dort haben wir geschminkt und sind dann an den Drehort gegangen. Franz-Peter Wirth, der Regisseur, war gezwungen, viel zu improvisieren, und die Schauspieler Hanns Lothar und Helmut Griem sowie die Hauptdarstellerin, die Japanerin Akiko, mußten einiges ertragen. Jedesmal, wenn wir irgendwo auftauchten, um zu drehen, gab es in kürzester Zeit einen riesigen Menschenauflauf der von Natur aus neugierigen Chinesen, die unbedingt alles sehen und mitbekommen wollten.
Ja, und er fragte mich: „Herr Grieser, warum arbeiten Sie eigentlich nicht mehr? Ich bin doch auch noch fast jeden Tag beruflich tätig!“ Da habe ich geantwortet: „Herr Trebitsch, Sie werden jeden Tag von einem Chauffeur zum Büro gefahren, haben eine eigene Firma, wo sie kommen und gehen können, wann Sie wollen. Das ist ein großer Unterschied zu mir als Freischaffendem, der abhängig von den jeweiligen Engagements ist. Und ich bin glücklich, daß ich mit meinen fast 80 Jahren nicht mehr im kalten Februar auf Hamburgs nassen Straßen stehen muß, bei Regen, Wind und Wetter, weil dort gerade gedreht wird.
Ja, die meisten Produzenten heute wollen so authentisch wie möglich drehen, an Originalschauplätzen. Ein Drehtag im Studio ist nicht billig, kostet um die 10.000 DM, je nach Aufwand und Ausstattung. Und so mieten die sich einfach eine Privatwohnung. Es gibt genügend Angebote, und die Wohnungsinhaber bekommen ein- bis zweitausend Mark dafür. Dort muß man dann ab 6 Uhr 30 unter abenteuerlichsten Bedingungen im Badezimmer oder in der Küche schminken, wo es nicht nur für mich eng ist, sondern auch für die Requisiteure, die Schauspieler, die sonstige Filmtechnik. Und auch sonst ändert sich viel in diesem Geschäft. Als ich kürzlich Heiner Lauterbach bei Dreharbeiten in Hasselburg bei Grömitz besuchte, habe ich keinen einzigen mehr vom Stab gekannt!
Das ist richtig, die Technik ist heute soweit, aber vieles läßt sich nicht ersetzen. Die Technik kann meiner Ansicht nach vieles erleichtern und früher unmögliches nun möglich machen, aber ein guter Maskenbildner wird auch in nächster Zukunft nicht zu ersetzen sein.