Filmstadt Hamburg


Ein FBI-Agent in Hamburg

Jerry Cotton ist ein amerikanischer Held, dessen Karriere in Deutschland begründet wurde. Sowohl die etwa 2900 Groschenromanhefte als auch die acht Filme, welche zwischen 1965-1968 entstanden sind, wurden für Deutschland, aus Deutschland veröffentlicht. Der FBI-Mann Jerry Cotton löst seine Fälle alle in New York, gedreht wurde jedoch für Studio Hamburg.

Filmografie Jerry Cotton

 

Bereits seit genau fünfzig Jahren werden in regelmäßigen Abständen Groschenromane veröffentlicht, in denen Jerry Cotton für das FBI seine Fälle löst. In diesen Jahren ist er jedoch nicht gealtert. Mittlerweile gibt es 2900 Fälle, die sich relativ erfolgreich in Deutschland und auch im Ausland verkaufen.

 

In der Anfangszeit hatten die Fälle eine Auflage von über 160.000 Exemplaren, mittlerweile ist die Auflage um 75 Prozent auf 40.000 Exemplaren geschrumpft, aber noch immer hält eine treue Leserschaft zu Jerry Cotton. Er konnte sich immer behaupten und sich gegen Konkurrenz wie zum Beispiel Kommissar X durchsetzen. In den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Romane und die Filme nie erschienen, da hier New York nicht als Fiktion erscheint, sondern Realität ist. So gibt es keine englische Übersetzung der Romane.

Bemerkenswert ist die achtteilige Kinofilmserie, welche von 1965-1968 gedreht wurde. In allen acht Filmen spielte George Nader die Hauptrolle. Er war zur Zeit des Drehs bereits etwa 45 Jahre alt. Die Filme entstanden im Auftrag der Münchener Verleihfirma "Constantin". Gedreht wurden sie nicht, wie in den Filmen glaubhaft gemacht werden soll, in New York, sondern im Studio Hamburg. Lediglich die Straßenfahrten wurden in Amerika gedreht.
Für sämtliche Folgen wurden Hamburger Straßenzüge umgebaut, sogar die New Yorker Metro fuhr auf der Linie der heutigen U2 vom Berliner Tor aus nach Niendorf.

 

Für den Dreh wurden jeweils zwei bis drei Luxusschlitten aus Amerika nach Deutschland verfrachtet und Jerry Cotton bekam seinen roten Jaguar.
Die Qualität der Filme lässt zu wünschen übrig. Es gelingt der Reihe nie, die Filme über das Mittelmaß hinauszubewegen. Realistisch scheint Manhattan nie zu werden, wer aufpasst und sich in Hamburg auskennt, kann immer Szenen entdecken, welche nicht in New York spielen können, sondern nur in Hamburg. Für den Dreh mussten selbst die Straßenschilder mit New Yorker Straßenschilder überklebt werden. Dadurch wirken alle Filme sehr gekünstelt und montiert. Die Montage kam in der Tat dauernd zum Einsatz. So sind auch Hochhäuser nicht das, was sie scheinen. Viele Szenen sind aus Plastik. Aus den Häusern wurden sogar die Fenster rausgeschnitten. Einige Szenen spielen in Hamburger Gebäuden oder in leerstehenden Fabrikgeländen. Sehr bemerkenswert, wie lang eine kleine Polizeistation sein kann, welche in New York stehen soll, jedoch im Polizeirevier Berliner Tor gedreht wurde.

Die Jerry Cotton Filme laufen häufig im Fernsehen. Alle Filme, bis auf einen, liefen in den achtziger Jahren auf SAT.1 und später in der ARD und in den Dritten Programmen. 1998 liefen die Filme, als ein Anhängsel an eine Edgar Wallace Reihe, während der Fußball-Weltmeisterschaft auf Kabel 1. Noch heute sind die Filme häufig im Nachtprogramm der ARD und im Programm der Dritten Programme zu sehen. Die Quoten lassen, auch durch die sehr häufige Wiederholung der Fälle, mittlerweile sehr zu wünschen übrig. Vor noch nicht langer Zeit zeigte der RBB (Raum Berlin Brandenburg) in einem Gernsehabend drei der acht Fälle. Da die Quoten für drei Folgen am Stück enttäuschend waren, wurde ein zweiter geplanter Gernsehabend mit weiteren drei Folgen der Reihe kurzfristig aus dem Programm genommen. Eine Ausnahme im Rahmen der Fernsehausstrahlungen bildet der sechste Film der Reihe "Dynamit in grüner Seide".

Dieser Film lief in den achtziger Jahren mehrmals auf SAT.1, anschließend gingen die Rechte jedoch nicht an die ARD, sondern an das ZDF. Das ZDF hatte den Film schon mehr als ein halbes Jahrzehnt nicht mehr im Programm.
Die Schauspieler in den Jerry Cotton Filmen waren oft dieselben. In allen Filmen spielte George Nader die Hauptrolle.

 

Er war meist der einzige Amerikaner am Set, geboren am 19. Oktober 1921 und am 4. Februar 2002 gestorben. In Amerika konnte er nie Fuß fassen. Ihm wurden in den USA, wegen seines öffentlichen Bekennens zu seiner Homosexualität, keine Rollen angeboten, so musste er in deutscher Durchschnittsware mitspielen. George Nader wurde in Deutschland bekannt als Jerry Cotton. Er ist der Mann vom FBI, Federal Plaza 26, Manhattan. Der beste Freund von Jerry Cotton ist sein FBI-Kollege Phil Decker. Er wurde in allen Filmen von Heinz Weiss verkörpert. Ohne ihn klärt Jerry keinen Fall auf. Jerrys Chef ist Mr. High, welcher in den ersten Filmen von Richard Münch gespielt wurde, der eigentlich Theaterschauspieler war.

Es gab etliche bekannte deutsche Schauspieler, die in den Filmen mitwirkten. Zum Beispiel spielte im dritten Fall, "Um null Uhr schnappt die Falle zu", Horst Frank den Bösewicht Larry Link. Horst Frank gilt als einer der bedeutendsten Sixties-Schurken. Im vierten Fall, "Die Rechnung eiskalt serviert", schlug sich sogar Horst Tappert als Bösewicht Charles durch. Noch vor seiner Derrick-Zeit musste auch er einmal den Gangster spielen.
Auch in der Regie wurden keine unbekannten Größen genommen. So führte in den letzten Filmen Harald Reinl Regie. Reinl wurde zuvor durch etliche Winnetou- und Edgar-Wallace-Filme bekannt. In den ersten Filmen führten noch unter anderem die weniger bekannten Fritz Umgelter und Harald Philipp Regie.

 

Jerrys Markenzeichen war ständig sein roter Jaguar. Probleme mit der Darstellung des roten Jaguars gab es in den ersten vier Filmen. Diese wurden noch in schwarz/weiß gedreht, deshalb war der Jaguar schwer als rot zu erkennen. Für den Dreh der ersten vier Filmen wurde auch kein roter Jaguar benutzt. In den letzten Filmen durfte Jerry Cotton sogar in Farbe ermitteln, was das Rot des Jaguars dann deutlicher zur Geltung brachte.

 

Insgesamt bleibt Jerry Cotton noch immer ein James Bond für Arme. Er hatte nie einen fulminanten Zuschauererfolg. Seine Fälle waren nie von großer Bedeutung, sondern nur Vorwand für billige Action im fremden Amerika. Die Filme ähneln sich alle, immer sind es Erpresser, Mörder oder Diebe, die Jerry Cotton jagt. Er klärt alle Verbrechen ohne selbst zu Schaden zu kommen auf, lediglich in "Die Rechnung eiskalt serviert" gerät er selbst in Verdacht, mit den Gangstern zusammenzuarbeiten.

 

Die Qualität der Filme ist nicht sehr unterschiedlich, immer Mittelmaß, trotzdem gibt es Tops und Flops. Der beste Film der Reihe ist vermutlich "Der Tod im roten Jaguar". Hier bietet sich Jerry Cotton selbst als Opfer an. Der schwächste Film der Reihe ist der letzte schwarz/weiß Film "Die Rechnung eiskalt serviert".


Ohne die Jerry Cotton Filme wären wir zwar um acht Filme ärmer, trotzdem wäre es kein großer Verlust. Der einzige Verlust wäre die Tatsache, dass Filme in New York spielen, obwohl die Schauspieler die Stadt nie gesehen haben. Nur vier Jahre gab es die Kinoserie, da die Kinobesucher immer weniger wurden. Jerry Cottons Filmkarriere begann zwar nicht vielversprechend, aber dennoch ansprechend, mit "Schüsse aus dem Geigenkasten" und endete mit "Todesschüsse am Broadway". Das Feeling von New York konnte nie richtig vermittelt werden, da auch in den Filmen vieles nach Plastik aussieht und nicht nach New York. Ein paar Straßenfahrten in New York reichten nicht aus, um die Leute der 1960er visuell nach Amerika versetzen zu können.
Zu lachen gibt es in den Filmen reichlich, da alles übertrieben und realitätsfern wirkt. Dennoch sollte jeder mindestens einmal einen Film der Reihe gesehen haben, um zu wissen wie aus Hamburg augenscheinlich New York werden kann. Auch Nostalgiefans hätten ihre Freude an den Filmen.

Eine Neuauflage der Filme wurde nie versucht. Außer George Nader hat nie ein Schauspieler Jerry Cotton gespielt.

Auch heute wäre eine neue Verfilmung der Groschenromane wünschenswert, allerdings hätten Cotton Filme noch weniger Reiz, da sich immer mehr Menschen eine Reise nach New York leisten können und es daher sehr unwahrscheinlich ist, dass Jerry Cotton neu aufgelegt wird. Deshalb werden wir uns mit Groschenromanen zufrieden geben müssen.

 

 

Filmografie Jerry Cotton


Quelle: Hamburger Flimmern Ausg. 11 - September 2004
Quelle der Fotos: Foto 1 und 3 Staatsarchiv Hamburg / ContiPress
Quelle der Fotos: Foto 2 und 4-6 hat uns Gerd von Borstel freundlicherweise als Zeitzeuge zur Verfügung gestellt

 

Hier kann man sich einen Jerry Cotton Filmausschnitt zu den Dreharbeiten im Real-Media-Format anschauen. Länge: 1,04 Min.