Filmstadt Hamburg

Endgültiges Aus für das Aktualitäten-Kino am Hauptbahnhof

Die Initiative ging von der Reichsbahn aus, die ihren Kunden die Wartezeit verkürzen wollte: ein Kino direkt neben dem Hauptbahnhof, in einem durch Bomben schwer beschädigten HAPAG-Gebäude am Glockengießerwall 8a. Nach knapp sechsmonatiger Bauzeit war es am 29. November 1949 so weit: die »Bahnhofs-Lichtspiele«, modern und vielversprechend »bali« abgekürzt, präsentierten sich als das erste neue Kino in Hamburg nach dem Kriege. »Eigentlich ist alles neuartig an diesem Kino«, so das »Hamburger Echo« am Tag nach der Eröffnung, »die mathematisch durchkonstruierten, gutgepolsterten Sitze (etwa 600), die Bildfront ohne Vorhang und ohne Bühnenumrandung, die 35 Meter lange Reklameleinwand, die Programmuhr, die Korkdecke und die Akustikplatten, die einen ausgezeichnet klaren Ton gewährleisten.« Bauherr war Johannes Betzel, Architekt Ferdinand Streb. Letzerer fand eine Ruine vor und hatte den Forderungen des Bauherrn zu entsprechen, der neben dem Kino ein Reisebüro und - in Verbindung mit den auf Gleishöhe liegenden Kellerräumen - eine Expreßgutausgabe wünschte. Das »bali« kam in den ehemaligen Gepäckaufbewahrungsraum im ersten Stock; zu diesem Zweck mußte die alte Dachkonstruktion entfernt werden. Im Erdgeschoß befand sich die Kasse, nach Erwerb der Eintrittskarte ging man die Treppe hoch ins Kino. Durch das großzügig gestaltete, dank sieben Meter hoher Glaswänden lichte Vestibül wurde dieses Manko optisch ausgeglichen: Die Außenfassade des »bali« konnte es mit jedem modernen Filmpalast aufnehmen. Großstadtflair, Verbindung mit dem Straßenleben, Vitrinen, Programmuhr und ein Treffbuch in der Kassenhalle, das in Schneckenform an der Decke freischwebende Neon-Leuchtrohr war zeitgemäß schick, während die Innenausstattung einen Abglanz vergangenen Luxus’ aufwies: ostindischer Palisander bildete die Wandvertäfelung, die Decke war leicht rötlich getönt, die Wände mit türkisgrünem Anstrich versehen (abwaschbar). Eine seltsame Mischung aus praktischem Zweckbau mit Fuffziger- Jahre-Charme und exotischer Verheißung.  Zur Eröffnung lief der Farbfilm »Die Wildnis ruft« (mit Gregory Peck und Jane Wyman). Wenig später erfolgte die Umbenennung in "Aktualitäten-Kino" ("aki"). Am Donnerstag, den 16. Januar 1964 schließlich fand die letzte Vorstellung statt: Das Haus mußte dem Ausbau des Wallrings weichen, es wurde abgerissen und die Kinosessel gleich am nächsten Tag dem Sperrmüll anheim gegeben.

(Text: Michael Töteberg)