Lang schon bemüht sich unserVerein, seine gesammelte Schätze, Exponate und Nachlässe einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren; denn nur so lassen sich breitere Unterstützung und nachhaltiges Interesse für die Film- und Fernsehstadt Hamburg und ihre Geschichte auf Dauer gewinnen und eventuell sogar das geneigte Engagement von Sponsoren bewegen. Doch über wenige Ausstellungen und die Schaukästen im (ehemaligen) Landesmedienzentrum hinaus reichten bislang Kraft und Finanzen nicht. So reifte die Idee, es doch auf mindestens kostengeringe Weise virtuell zu probieren, zumal die Zeit dafür reif ist, Knowhow und Gerätschaften vorhanden sind oder sich allmählich anschaffen ließen und das Medium Film mit seinen visuellen Reizen dazu gerade angetan ist, es auf HTML-Seiten mit allerlei Fenstern, bewegten Szenarien und Links zu präsentieren. Ein virtuelles Museum für Film und Fernsehen, das könnte auch in heutiger Zeit mit klammen öffentlichen Kassen ein kleines Highlight sein, obendrein das erste in seiner Art, wie unsere Recherchen erwiesen haben. Denn die realen in Berlin, Potsdam, Frankfurt/M., München und Düsseldorf begnügen sich (noch?) mit wenigen, nur ankündigenden Websites; sie wollen die Besucher ja in ihr Haus locken und dürfen nicht allzu freigiebig im WWW alles offenbaren.
Die Studiengänge am Fachbereich Bibliothek und Information der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW, früher Fachhochschule Hamburg) bieten für solche Vorhaben gute didaktische Voraussetzungen, sehen sie beide ein so genanntes Projektsemester mit 12 Semesterwochenstunden vor, in dem Studierende und Lehrende gemeinsam möglichst in Zusammenarbeit mit einem externen Dritten ein solches Projekt und Produkt realisieren. Der Dritte war und ist in diesem Fall der Verein, vorzugsweise in der Person von Volker Reißmann, der als Lehrbeauftragter gewonnen werden konnte (zumal er in den Semestern davor schon Nachlässe von Filmschaffenden aufgearbeitet hat). Uwe Debacher ist der schon bewährte EDV- und WWW-Experte, Prof. Dr. Hans-Dieter Kubier als Medienwissenschaftler der Koordinator
Im Oktober 2002 konnte das Projekt mit 25 Studentinnen und Studenten starten, zunächst mit einem Brainstorming über die Konzeption eines solches Museums. Auch eine Exkursion nach Berlin und Potsdam gehörte dazu, um sich selbst ein möglichst anschauliches Bild über Aufgaben und Präsentationen eines Filmmuseums zu machen, im Sommersemester 2003 folgte mit einer anderen Gruppe der Besuch im deutschen Filmmuseum Frankfurt/M. Als Ziele schälten sich heraus: den Betrachtern - Usern – eine Auswahl der in Hamburg bereits gesammelten und/oder verfügbaren Exponate zur Film- und Fernsehgeschichte auf multimedialen, tendenziell animierten Websites zugänglich und anschaulich zu machen, Zeitzeugen aus den verschiedensten Sparten vorzustellen, Originaldokumente (Filme, Tonaufnahmen, Texte, Plakate, Programmhefte) in Ausschnitten zu präsentieren und wichtige Schauplätze (wie Kinos, Dreh- und Produktionsplätze) auf Fotos in Erinnerung zu rufen. Dafür waren mehrdimensionale bzw. -thematische Zugänge angedacht: Vom virtuellen Spaziergang durch das Museum mit Selektions- und Verweilmöglichkeiten nach spontanen Bedürfnissen („Surfen") bis hin zur systematischen und/oder heuristischen Suche nach Kategorien, Namen, Titeln, Sequenzen und Details (Volltextsuche). Die Planung wurde zusammen mit dem Seminarteilnehmern entwickelt, mit vielfältigen Optionen für mögliche Ergänzungen und Erweiterungen. Dies alles sollte auf die lokale Film- und Fernsehgeschichte bezogen sein, denn es soll ja ein Hamburger Museum werden, in profilierter Konkurrenz und Gewichtung zu den anderen.
Zunächst einmal sichteten die Studierenden die bereits im Internet existierenden Homepages verschiedener Filmmuseen im In- und Ausland. Wie gesagt, beschränken sich diese Auftritte überwiegend auf Informationen über ihr eigenes, real existierendes Museumsgut sowie auf Öffnungszeiten und Eintrittskosten, Jeder der geprüften Internet-Auftritte hat zwar einige interessante Highlights zu bieten, dafür haben die meisten aber auch deutliche Schwächen (so gibt es komplette Internet-Seiten ohne ein einziges Bild). Kurzum, ein optimal realisiertes Filmmuseum scheint es bisher im Internet nicht zugeben. Auch virtuelle Seiten von anderen Museumseinrichtungen wurden geprüft, darunter das bisher- laut Selbstwerbung - einzige wirkliche Museum im Internet, in dem man dreidimensionale Schauobjekte betrachten kann (www.tuerkenbeute.de). Auch der vom Verein angemietete Keller mit den gesammelten Schätzen wurde begutachtet. Danach bildeten sich im ersten Seminarteil acht Untergruppen, die sich mit Sichtung und Präsentationsmöglichkeiten der Filme, dreidimensionalen Gerätschaften, Plakate, Drehbücher; Programmhefte und Zeitschriften befassten, darüber hinaus beschäftigte sich eine Gruppe mit der Darstellung von beliebten Drehorten und wichtigen Ereignissen der Kinogeschichte in Hamburg. Naturgemäß ging die Arbeit schon aufgrund der unterschiedlichen Gruppengröße und Vorkenntnisse der Studenten unterschiedlich rasch voran und auch die Quantität und Qualität der ersten vorgelegten Websites sowie die Menge der in eine zentrale Datenbank eingegebenen Objekte schwankte je nach Gruppe. Begleitend und immer wieder bei Bedarf bot Uwe Debachen Oberstudienrat am Gymnasium Lohbrügge und Lehrbeauftragter an der HAW für Multimedia und Datenbank-Strukturen, auffrischende und weiterführende Kurse in den (für die Programmierung von Internetseiten notwendigen Computersprachen HTML, PHP/MySQL und VRML an. Volker Reißmann koordinierte die Bereitstellung und Aufarbeitung des benötigten historischen Materials aus dem Vereinsfundus oder den Beständen des Staatsarchivs Hamburg.
Im Januar 2003 lag ein erster Gesamtentwurf für einen Internetauftritt vor Fünf Studentinnen erklärten sich dankenswerterweise bereit, die Ergebnisse auf der Mitgliederversammlung Ende Februar im Landesmedienzentrum zu präsentieren und Fragen der anwesenden Vereinsmitglieder zu beantworten; auch der Seminarleiter und die beiden Lehrbeauftragten waren anwesend. So gab es auch ein interessantes Feedback von dieser Seite. Einige Vereinsmitglieder erklärten sich spontan zur Mitarbeit bereit oder stellten weiteres Material zur Verfügung; auch wurde der Ratschlag geäußert, möglichst noch einen externen Graphiker hinzuziehen.
Ende März 2003 wurde das Projekt mit 20 neuen Teilnehmern fortgesetzt. Sie mussten sich erst einmal in das bisher Geleistete einarbeiten. Für diese Etappe nahm man sich vor, die vorhandene Website zu erweitern, sie benutzerfreundlicher zu machen, eventuelle Mängel und Fehlfunktionen (z.B. nicht funktionierende Links) zu beseitigen und den ganzen Auftritt um weitere Exponate bzw. Untergruppen zu erweitern sowie die Implementierung eines richtigen 3D-Bereiches, in welches die Besucher mindestens virtuell hineingehen können. Neben Technikbegeisterten, die sich mit programmtechnischen Verbesserungen und der VRML-Mehrdimensionalität befassten, bildeten sich Arbeitsgruppen zu den Bereichen „Hamburger Filminstitutionen", „Filmstars", „Experimental-und Zeichentrickfilm" und - als ganz neuer Bereich - die Anfänge der „Fernsehgeschichte". Dazu wurden auch Zeitzeugen wie Bodo Menck, Franz Winzentsen, Carsten Diercks und Hans-Joachim Wulkow interviewt. Darüber hinaus befassten sich zwei Teilnehmer mit der Überarbeitung und Integration einer zehn Jahre alten Datensammlung zur Hamburger Kinoarchitektur, die von 1989 bis 1992 von vier Studenten der Hochschule für Bildende Künste über rund 480 Hamburger Lichtspieltheatern aus der Zeit zwischen 1900 und 1992 angelegt worden war Die Umwandlung der ursprünglich auf einem MAC-Rechner aufgebauten Datenbank in eine Windows-fähige Datenbank erwies sich aufgrund technischer Schwierigkeiten wesentlich komplizierter als angenommen. Ende Juni 2003 lagen die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen vor Das gesamte Layout (in der Fachsprache „Style-Sheet" genannt) der Seiten wurde modernisiert und benutzerfreundlicher gestaltet, zusätzliche Links und Suchfunktionen sollen für eine bessere Navigation innerhalb des Auftritts sorgen.
Unter der Domain www.filmmuseum-hamburg.de kann sich ab sofort jeder in unsere virtuelle Welt klicken. Das Projekt versteht sich auch als Pilot für eine hoffentlich bald unterstützte, weiterzuführende Arbeit; an eine Fortsetzung in den kommenden Semestern ist gedacht, zumal viele Bereiche bisher leider nur in groben Ansätzen dargestellt werden konnten und in unserem Museumskeller noch viele Schätze schlummern, die auf eine entsprechende Präsentation im Internet warten. Auch an eine Einbindung der zahlreichen Nachlässe, von Alfred Ehrhardt über Bodo Menck, von Hellmuth Costard bis Wolf Hart, ist gedacht sowie an die Bereitstellung aller 10 bisher erschienenen Ausgaben unserer Vereinszeitschrift „Hamburger Flimmern".
Mit diesem Internet-Auftritt soll der Öffentlichkeit, nicht zuletzt aber auch möglichen Sponsoren, die Bestände und Optionen eines solchen Museums vor Augen geführt werden. Denn neben den bereits vorhandenen Filmmuseen in Deutschland sind die hamburgischen Aspekte der Film- und Fernsehgeschichte mithin einerseits regional-, anderseits nationalgeschichtlich von hoher Bedeutung, so dass das geplante Museum einen bedeutsamen, bislang unerbrachten Beitrag für die deutsche Film- und Fernsehgeschichte, mithin für die Mediengeschichte insgesamt, liefern kann.