Vom Juristen zum Filmemacher: Statt als Staatsanwalt Karriere zu machen, verschrieb sich Hark Bohm der Magie der Bilder und genießt heute den Ruf, einer der profiliertesten deutschen Regisseure zu sein. Der in Hamburg geborene Bohm drehte Anfang der siebziger Jahre in München seine ersten Kurzfilme und gehörte zu den Mitbegründern des „Filmverlags der Autoren". Der mit schmalem Budget 1972 realisierte Film „Tschetan, der Indianerjunge", eine Liebeserklärung des passionierten Kinogängers an den klassischen Western, wurde ein großer Erfolg. Er hat durch seine Initiative für die „Hamburger Filmschau 1979" und das „Hamburger Filmbüro" sowie seine langjährige Vorstandsarbeit dort die Hamburger Filmszene der 1980er Jahre entscheidend mitgeprägt. Mit der Gründung und Leitung des Filmstudiums der Universität hat er in Hamburg eine Filmhochschule etabliert, die durch die Qualität ihrer Absolventen heute international anerkannt ist. Volker Reißmann sprach Bohm im Mai dieses Jahres in seinem Haus in Othmarschen über seinen Werdegang, seine wichtigsten Filme und seine Pläne für die Zukunft.
Daher kommt mein Vorname Hark, den es eigentlich nur auf den friesischen Inseln gibt. Was er genau bedeutet, weiß ich nicht. Aufgewachsen bin ich in einem Dorf auf einer kleinen Insel, wo es keinen Durchgangsverkehr gab und wohl auch nur sehr wenig Radioapparate. In solchen abgeschlossenen Gemeinschaften erzählt man sich natürlich Geschichten.
Die Amrumer waren häufig Seefahrer und sehr viele sind in den fünfziger Jahren nach Amerika ausgewandert, weil der Tourismus noch nicht so entwickelt und die Arbeitsmöglichkeiten sehr beschränkt waren. Wenn uns Kindern von Amerika erzählt wurde, musste man sich das Fremde vorstellen. Denn es gab keine Bilder von New York, Mexiko oder Kap Hörn - das alles entstand fast ausschließlich in der Fantasie.
Ganz einfach, mein Vater war Jurist. Ich habe ja in diesem Haus schon gelebt als ich Abitur machte und in dieser Umgebung waren solche Entscheidungen irgendwie vorgegeben. Ich kam gar nicht auf die Idee, etwas anderes zu werden. Mein Referendariat fand dann in München statt. Mein damaliger Freund Horst Janssen, der Grafiker, besorgte mir dort einen Job bei der Kunstgalerie Ketterer. Ich hatte eigentlich schon als Kind, als Schüler, eine starke Beziehung zur Malerei, Literatur und Poesie, also zur Kunst allgemein. Und neben Ketterer lag eine andere Galerie, van der Loh, wo die damaligen „Jungen Wilden" ihre Werke ausstellten. Mit denen habe ich mich angefreundet, und das war eigentlich schon ein Schritt weg von der Juristerei, weil die meisten Maler damals Ende der sechziger Jahre mit der studentischen Rebellion sympathisierten. Das waren wirklich wilde Typen, sehr anarchistisch eingestellt und prinzipiell gegen jede Obrigkeit - während die Jurisprudenz ja eigentlich die Wissenschaft von der gesellschaftlichen Ordnung ist.
Bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Augsburg, danach beim Anwalt Norbert Kückelmann, denn der leitete damals das neugegründete „Kuratorium junger deutscher Film" als Geschäftsführer. Film begann, mich immer stärker zu interessieren und die Jurisprudenz, so wie ich sie eben jetzt in der Praxis kennen lernte, plötzlich überhaupt nicht mehr. Obwohl ich eigentlich dann beim „Kuratorium junger deutscher Film" mitarbeitete, haben mich eigentlich viel stärker Filme wie „Die Schlacht um Algier" von Pontecorvo oder bestimmte Filme von Sergio Leone, Howard Hawks oder John Ford beeinflusst. Die dramatisch erzählenden Filme haben mich immer viel stärker bewegt als die essayistischen oder avangardistischen Filme, die für die europäischen Filmkultur typisch sind.
Dazu muss ich etwas ausholen. Auf dem Wege in eine politische Versammlung wurde ich plötzlich vor dem Leopold-Kino in München, von hinten von einer Frau umarmt. Als ich mich umdrehte, schaute ich in ein mongolisches Gesicht. Natalia Bowakow hieß die Frau und sie hatte mich mit jemandem verwechselt. Ja und Natalia war eine Freundin von Anita Palmberg, die damals gerade die Hauptdarstellerin bei Volker Schlöndorff in „Mord und Totschlag" war. Und so lernte ich Schlöndorff kennen, der damals im Gegensatz zu der vorherrschenden Stimmung unter den deutschen Filmemachern - denken Sie an Jean-Marie Straub, Alexander Kluge oder Helmut Herbst in Hamburg - wirklich ein Geschichtenerzähler war. Und Schlöndorff fragte mich eines Tages, ob wir nicht ein Drehbuch zusammen schreiben wollten. Er könne mir zwar kein Honorar zahlen, aber wir könnten zusammen wohnen. Das war die Zeit der Wohngemeinschaften und so sind Natalia und ich zu Volker gezogen und haben da eine WG gebildet und ein Drehbuch geschrieben. Daraus ist leider nie etwas geworden, aber ich rang mich dazu durch, endlich dem Hamburgischen Oberlandesgericht zu schreiben, dass ich nicht mehr länger Referendar und Jurist sein wollte.
Das war der nächste Schritt. Junge Filmemacher - neben mir waren noch u.a. Hans W. Geissendörfer, Wim Wenders, Werner Herzog, Rainer Werner Fassbinder dabei - gründeten eine Produktionseinheit, sozusagen eine „United Artists". Das war der „Filmverlag der Autoren" und ich war durch mein juristisches Vorwissen derjenige, der die richtigen Organisationsformen finden oder wusste, wen man um Rat fragen konnte. So bin ich in diese Gruppe integriert gewesen und habe schließlich 1970 meinen ersten und 1971 meinen zweiten Kurzfilm gemacht, bevor ich 1972 mit Fördergeld des Bundesinnenministeriums meinen ersten abendfüllenden Spielfilm realisierte, "Tschetan". Der entstand in kleinstem Rahmen mit meinem Pflegesohn Dschingis, der die Rolle eines jungen Indianers spielte und mit meinen Bruder Marquardt, der den Part eines Schäfers übernahm. Mein Freund Michael Ballhaus, der heute ein weltberühmter Kameramann ist, übernahm die Bildführung. Das war deshalb ein großes Glück, weil Michael schon eine ganze Reihe von Spielfilmen gemacht hatte und dadurch auch dramaturgisch denken konnte - er stammt aus einer Theaterfamilie - und ich damit einen sehr zuverlässigen und zugleich künstlerisch hoch begabten Freund an meiner Seite hatte.
Ja, wir drehten im Naturschutzgebiet des oberen Isartales, in dem es tatsächlich so wild und unberührt aussah, wie es eben in den Rocky Mountains im letzten Jahrhundert gewesen sein kann. Mit Hilfe der privaten Indianer-Fanklubs und anderer Freunde gelang es mir, den Film so authentisch auszustatten, dass ich Jahre später, 1982, auf dem Indian Filmfestival in San Francisco von den Indianern selbst dafür einen Preis erhalten habe. So ging es also los. Der Filmverlag der Autoren war ja ein wichtiges Zentrum der deutschen Filmkultur in den siebziger Jahren. Als das Schiff Filmverlag dann wenig später zu scheitern drohte, gelang es mir, Rudolf Augstein zu überzeugen, finanziell mit einzusteigen. Er ist eigentlich der großartigste Mäzen, den die deutsche Filmkulturje gekannt hat. Er nennt mich heute noch gerne mit freundschaftlichem Zynismus seinen „teuersten Freund", weil ihn das natürlich alles sehr viel Geld gekostet hat - aber ohne ihn wäre ein Stück Filmkultur zwischen 1975 und 1985 im westdeutschen, bundesrepublikanischen Kulturraum einfach nicht möglich gewesen.
Erst später ist mir klar geworden, dass „Tschetan" die Geschichte wiedergibt, die sich zwischen mir und Dschingis entwickelt hat - denn von heute aus gesehen glaube ich fast, dass Dschingis mich adoptiert hat. Also der achtjährige vaterlose Dschingis hat mich zu seinem Vater gemacht. Vielleicht entstand dann mit Hilfe meines Unterbewusstseins aus diesem Erlebnis die Geschichte, wie ein Schäfer, der offenbar selbst von der weißen Siedlergesellschaft ausgegrenzt ist, einen Jungen aus einer anderen Kultur adoptiert.
In der Tat, er ist der siebzehn Jahre jüngere Bruder. Darum ist er auch nicht rechtlich mein Sohn. Dschingis hat immer gesagt, mein Vater ist der Mann meiner Schwester, aber die sind nicht verheiratet, was einigermaßen verwirrend war, für die, die es hörten und die nicht die Verhältnisse dahinter kannten. Zu meinem nächsten Langfilm, „Nordsee ist Mordsee", kam ich durch einen kleinen Kinderfilm, den ich zwischendurch drehte, wo ich in Hamburg-Horn in einer Kindertagesstätte einen Jungen traf, rothaarig, mit Botten - der mich so mit dem Blick „Was kostet die Welt?" anschaute. „Ich kann auch eine Arche bauen", hieß der Film, den der Süddeutsche Rundfunk in Stuttgart produzierte. Dieser Junge Uwe kam aus einer zerrissenen Familie, beide Eltern waren psychisch krank und der schloss sich uns an. Eigentlich steckte er voller Vorurteile, und so war es überraschend, wie gut sich Uwe und Dschingis dann nach anfänglichen großen Problemen mit einander verstanden. Dieses Zusammenraufen bildete den Handlungskern von „Nordsee ist Mordsee". Anders allerdings als bei „Tschetan" habe ich sorgfältig die Familiengeschichte von Uwe recherchiert - und die Bedingungen, unter denen Dschingis mit meiner Schwiegermutter lebte, kannte ich ja sowieso.
Ja, da verarbeitete ich auch viel von meinen Erfahrungen mit unseren Kindern. Unsere Pflegetochter, die damals vierzehn, fünfzehn Jahre alt war, erzählte mir mal einen Traum, den sie hatte, als sie sehr böse auf einen ihrer Lehrer war. Und in Verbindung mit den Erinnerungen an meine Schulzeit entstand „Moritz, lieber Moritz", der ja zum Teil auch im Christianeum gedreht worden ist, der Schule, die ich selbst besucht habe.
Auch dieser Film hat sehr viel mit meiner eigenen Erfahrung zu tun. Anders ausgedrückt: Er ist eine Mischung aus autobiographischen Momenten und Dingen, die mir unsere Kinder in der Pubertät erzählt haben.
Ich war damals in München tätig und dort gab es einen neuen CSU-Bürgermeister. Der wollte zwar unsere Idee aufgreifen, in München ein Filmfest zu veranstalten, aber wir hofften, das auch selbst organisieren zu können. Doch dieser Bürgermeister plante, den ehemaligen Geschäftsführer der Münchner Modewoche zum Festivalleiter machen. Das kam uns dermaßen kränkend und lächerlich vor, dass ich mich fragte: Können wir nicht versuchen, in Hamburg eine Situation zu schaffen, in der die Filmemacher selbst bestimmen können, wie die Voraussetzungen für so etwas auszusehen haben? Damals gab es einen relativ jungen und dem Film sehr aufgeschlossenen Bürgermeister, Hans-Ulrich Klose. Kurzentschlossen habe ich um einen Termin gebeten und im März oder April 1979 Klose die Idee eines von den Regisseuren selbst organisierten Filmfestes und die Vision einer selbst verwalteten Filmförderung geschildert. Klose war sofort Feuer und Flamme. So bekamen wir sogar beides und der Staat stellte dafür auch kontinuierlich Geld zur Verfügung, wobei wir so an 3 Millionen DM gedacht hatten. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass es in Hamburg eine gewachsene Filmszene gab, die den aus München kommenden Filmemachern eher feindlich gegenüberstand. Nur war ich Uli Klose gegenüber im Wort und die daraufhin entstandene „Hamburger Filmschau 1979" hat ja auch großartig geklappt und einen legendären Ruf bekommen. grenzte Produktionsmittel gerecht untereinander aufteilen sollen. Zumal das ja an die Wertigkeit eines Projektes geknüpft ist, denn man kann ja nicht sagen, hier sind 100 Leute, die wollen Filme machen und wir haben 1.000 Mark und dann kriegt eben jeder 10 Mark - das kann man vielleicht bei der Schulspeisung machen, aber nicht, wenn es um Kunstprojekte geht, und Kunst ist Film im weitesten Sinn. Trotzdem bereue ich dieses Experiment „Filmbüro Hamburg" nicht, selbst wenn es mich selbst viel Zeit und Kraft gekostet hat.
Ja, die Erfahrung sagt uns, dass man künstlerische Programme kaum auf eine basisdemokratische Weise organisieren kann. Das war sehr blauäugig von uns, weil Künstler als hochverletzbare Persönlichkeiten einfach überfordert sind, wenn sie begrenzte Produktionsmittel gerecht untereinander aufteilen sollen. Zumal das ja an die Wertigkeit eines Projektes geknüpft ist, denn man kann ja nicht sagen, hier sind 100 Leute, die wollen Filme machen und wir haben 1.000 Mark und dann kriegt eben jeder 10 Mark - das kann man vielleicht bei der Schulspeisung machen, aber nicht, wenn es um Kunstprojekte geht, und Kunst ist Film im weitesten Sinn. Trotzdem bereue ich dieses Experiment „Filmbüro Hamburg" nicht, selbst wenn es mich selbst viel Zeit und Kraft gekostet hat.
Ja, 1979 kurz nach meiner Kontaktaufnahme mit Hans-Ulrich Klose habe ich noch einen weiteren Film mit Uwe und Dschingis gedreht, „Im Herzen des Hurrican". Grundlage war die Notiz in einer Zeitung, dass ein Elch durch die Bundesrepublik wanderte. Da ich mich mein Leben lang sehr für Tiere interessiert habe - ich habe auch zwei populärwissenschaftliche Dokumentarfilme über Wölfe gemacht - wollte ich damit verknüpft die Geschichte von einem Jungen erzählen, der den Elch schützen und einem anderen Jugendlichen, der ihn schießen wollte. Allerdings ist das ein Film, an den ich ungern zurückdenke, denn der wurde ein Totalflop. 1983 realisierte ich dann einen Film, der völlig anders war, als alle, die ich vorher gemacht hatte. Bis dahin spielten in meinen Filmen Protagonisten, die so alt waren, wie die Kinder, die Natalia und ich aufzogen. Bis eben zum Film „Der Fall Bachmeier: Keine Zeit für Tränen". Da kam plötzlich bei mir wieder der Jurist durch, der Strafverteidiger, der ich einmal im Büro von Norbert Kückelmann gewesen war. Hintergrund der Story: Eine junge Frau hatte den Mörder ihres Kindes im Gerichtssaal erschossen, und in Lübeck wurde ihr deswegen der Prozess gemacht. Das interessierte mich sehr, zumal ihr Verteidiger, mein Freund Uwe Mäffert, mir die Möglichkeit gab, etwas von der inneren Geschichte dieses Prozesses zu erfahren. Meiner Ansicht nach entstand aus dieser Story ein recht guter Film, auch wenn er am Ende kommerziell nicht so erfolgreich war. Beide Hauptdarsteller gewannen Preise.
Das stimmt. So habe ich „Nordsee" und „Moritz" mit Wolfgang Treu, einem exellenten Hamburger Kameramann gedreht. Bei „Im Herzen des Hurrican" arbeitete ich mit Jaroslav Kucera, der „Professor Licht" aus Prag zusammen, auch eine internationale Koryphäe. Und 1983 bewarb sich ein junger polnischer Kameramann bei mir, der Slavomir Idziak. Der brachte mir völlig neue Sachen bei, also z.B. im Bereich der Kameradramaturgie. Ich hatte bis dahin immer frei aus dem Bauch gedreht. Ich bilde mir ein, dass ich immer eine gute Nase für Kameraleute hatte: Wolfgang Treu, Michael Ballhaus, Jaroslav Kucera, drei Filme mit Idziak, Edward Klosinski, dann Arthur Reinhart, ein berühmter Kameramann aus Polen und schließlich Frank Küpper bei „Brühne". Danach habe ich noch mit Karl Walter Lindenlaub, dem Kameramann von Emmerichs „Independence Day", einen Werbefilm gemacht. Also ich glaube, dass das eine Truppe an „Directors of Photography" ist, die man in dieser Kontinuität bei anderen Regisseuren selten findet.
Durch meine Bekanntschaft mit Thilo Kleine bekam ich eine Geschichte, die ein Staatsanwalt in Nordrhein-Westfalen geschrieben hatte. Kleine, der damals Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk war, erinnerte sich an meine juristische Ausbildung. Mit ihm als Dramaturgen entstand dann „Der kleine Staatsanwalt" - eigentlich ein Fernsehspiel, das dann aber von der Berlinale als deutscher Beitrag ausgewählt wurde. Ich erinnere mich, dass die „Neue Zürcher Zeitung" damals sogar schrieb: „Hark Bohm rettet die Ehre des deutschen Films". Das fand ich schon deshalb kurios, weil das Werk ja eigentlich als Fernsehfilm konzipiert war.
Richtig, die Titelfigur habe ich selbst gespielt – eigentlich aus Verlegenheit, weil ich keinen passenden Schauspieler fand, der diesen eitlen, gebrochenen, kämpfenden, resignierenden Charakter so hätte spielen können, wie ich mir das vorstellte. Immerhin hatte ich an meiner Seite dann Corinna Harfouch, Michael Gwisdek, Martin Lüttge und Tilo Prückner, wirklich tolle Schauspieler. Dann kam mit „Yasemin" wieder ein Film, der an meine Werken aus den siebziger Jahren anknüpfte. Uwe, der inzwischen über 20 Jahre alt war, hatte sich in ein türkisches Mädchen verliebt, was auf den heftigen Widerstand ihrer Eltern gestoßen war. Gleichzeitig hatte mich der Produzent Heinz Ungureit gebeten. doch einmal eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen aus zwei verschiedenen Kulturen zu erzählen, weil er wohl an meine Begegnung mit Natalia Bowakow dachte, die ja auch aus einer anderen Kultur stammt. „Yasemin" genießt zwar nicht den Kultstatus von „Tschetan" oder „Nordsee ist Mordsee", aber er ist doch mein erfolgreichster Film mit der höchsten Zuschauerzahl gewesen - und ich bekam für ihn sogar den Bundesfilmpreis in Gold und viele andere Preise.
Stimmt, den habe ich mit Slavomir Idziak gemacht - ein Mann, der ständig mit mir diskutiert, der mich ständig herausfordert, aber gleichzeitig ein großartiger Fotograf ist. Er ist jetzt gerade für den Oscar nominiert gewesen - für Ridley Scotts „Black Hawk Down", ein Film über den missglückten UNO-Einsatz in Somalia. 1985 habe ich einen Dokumentarfilm über die sandinistische Revolution mit ihm gedreht, „Wie ein freier Vogel": Das war schon kurios, weil Slavomir als polnischer Katholik natürlich eher mit der Solidarnosc-Bewegung sympathisierte und den damals kommunistisch orientierten Sandinisten dadurch skeptisch gegenüberstand. Trotz der anfänglichen Meinungsunterschiede entstand dann aus unserer Zusammenarbeit doch ein kleiner, sehr schöner Dokumentarfilm - und ich muss gestehen, dass ich in der Tat ziemlich ernüchtert aus Nicaragua zurückgekommen bin. Mit Idziak bin ich bis heute befreundet - und der Anruf von Ridley Scott aus Hollywood, den erhielt er vor zwei Jahren tatsächlich genau hier in dieser Küche.
Das ZDF fragte mich, ob ich nicht den Roman von Walter Kempowski „Herzlich willkommen" verfilmen wollte. Das war die Geschichte eines Mannes, der aus der DDR flieht und dann versucht, irgendwie in der Bundesrepublik Fuß zu fassen und als erstes einen Job in einer Erziehungsanstalt findet. Da gibt es einfach diese schönen Familienkonstellationen nicht, die man aus den vorherigen Romanen kannte. Eigentlich ist daraus auch wieder ein typischer Hark-Bohm-Film geworden - es ging halt um das Grundthema der Adoption. Uwe spielte die männliche Hauptrolle, Barbara Auer, das war ihr erster Kinofilm, spielte eine Erzieherin; die beiden adoptieren am Schluss einen verwahrlosten, wütenden, nicht zu bändigenden Jungen, der, wie ich finde, immer noch ganz ergreifend von unserem David dargestellt wurde.
Nein. Davor kam noch ein Kinofilm, „Für immer und immer", der mir immer noch sehr nah ist. In ihm spielt unsere Tochter Lili ein Kind, das seinen Pflegeeltern Johanna Tersteege und Heinz Hoenig von seiner leiblichen Mutter, Jeanette Arndt, wieder weggenommen werden soll, eine Kreidekreis-Geschichte. Im Herbst 1998 rief Hermann Weigel von der Constantin an und fragte, ob ich interessiert sei, über Vera Brühne einen Mehrteiler zu machen. Das war nach 25 Jahren für mich die erste rein auf das Fernsehen orientierte Arbeit und ich erinnere mich, dass dieser Vera-Brühne-Fall mich als Jurastudenten sehr beschäftigt hatte, zumal ja hier im Norden damals viele glaubten, dass ein bajuwarisches Vorurteil zu einem Fehlurteil geführt hatte. Es war sehr mühsam, aus dem Wust von Akten und den darin verborgenen Fakten eine interessante Erzählung zu gestalten. Die Drehbucharbeit zusammen mit dem Dramaturgen Weigel hat dann doch fast eineinhalb Jahre beansprucht. Aber ich habe für keinen meiner Filme so überragende Kritiken bekommen, von der „taz" über den „Spiegel" bis zur „Welt" wurde er sehr positiv besprochen.
Mitte der achtziger Jahre befürchtete ich, dass Hamburg langsam den Anschluss an die anderen Filmmetropolen wie Berlin und München verlieren würde. Denn dort wurde wahnsinnig viel Geld in die Medienstandorte gepumpt - und wir in Hamburg mussten zusehen, wie unsere Talente abwanderten. In den siebziger Jahren war durch den Filmverlag der Autoren eine ungeheure kreative Potenz entstanden - und in den Achtzigern war plötzlich gar nichts mehr los. Ich bin der Ansicht, dass wir damals nicht über das handwerkliche Know-how verfügten, das ein Martin Scorsese, ein Fellini, ein Truffaut, also Leute, die in gewachsenen Filmkulturen arbeiten, ganz selbstverständlich hatten. Und so entstand der Ehrgeiz, ein Studium ganz neuen Typs zu etablieren, das sich stark darauf konzentrieren soll, zukünftigen Filmemachern das geistige Werkzeug für dramatische Erzählweisen zu geben. Das durchzusetzen, war in Hamburg wahnsinnig schwierig. Zumal dieser Studiengang nur eine ständige Professur hat. Alle anderen Lehrer sind meine Freunde, wie Steinbach, Berg, Kleine, Idziak, Ballhaus oder auch Karl Walter Lindenlaub, dessen Eltern hier in Flottbek wohnen. Ja und dann musste ich auch noch das Geld beschaffen für die Produktion der Studentenfilme, wofür das Geld der Universität leider nicht reichte. Dank der Unterstützung von Mäzen und der Bertelsmann-Stiftung, die wir von unserem Konzept überzeugen konnten, konnte die Hamburger Filmwerkstatt gegründet werden, gleichsam als ein Förderverein für das Filmstudium an der Universität. Aber das alles ist ein Fulitime-Job und sicherlich auch die Erklärung dafür, dass ich in letzter Zeit kaum noch zum Filmemachen gekommen bin.
Ich arbeite gerade mit dem Kameramann Martin Fuhrer an einem Fernsehfilm nach einer Idee von Udo Lindenberg. Aber es gibt natürlich auch noch andere Sachen im Köcher, doch wie sagt man hier im Norden so schön: Ungelegte Eier soll man nicht bequaken.