Es war der Hamburger Heinrich Hertz, der 1886 mit der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen die theoretische und praktische Grundlage für die Entfaltung der modernen Medien legte. Ohne seine Erkenntnisse wäre im 20. Jahrhundert die Revolution im Medien- und Kommunikationsbereich nicht denkbar gewesen. Weder die Funk-Telegrafie noch das Radio, weder das Fernsehen noch der Computer wären ohne ihn möglich: zu Recht wird die Schwingungszahl in jedem Gerät nach ihm benannt.
Im Hinblick auf das Medium Fernsehen sollte im modernen Deutschland die Hansestadt Hamburg, die Heimatstadt von Heinrich Hertz, eine führende Rolle erst in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg einnehmen; ohne Zweifel war bis zum Ende des Krieges Berlin diese Rolle zugewiesen. Wie in Hamburg die Anfangsphase des neue Mediums Fernsehen rezipiert wurde, soll im folgenden kurz nachgezeichnet werden.
Premiere für eine fahrbare Fernseh-Sendeanlage
„Wer das Glück hat, in einem Umkreis von 60 bis 80 Kilometer von Berlin zu wohnen, wer überdies noch das nötige Geld hat, sich einen der recht teuren Empfänger zu kaufen, der kann heute schon täglich die Fernseh-Übertragungen aus der Reichshauptstadt empfangen. Wir armen Provinzler aber werden noch eine gute Weile warten müssen, bis wir an dieser Neuerung teilhaben können...“, so schrieb der Chronist des „Hamburger Anzeigers“ am 8. Mai 1935 und berichtete, dass es auch in Hamburg Initiativen gab: Arbeitsgemeinschaften beschäftigten sich intensiv mit dem Problem des Fernsehfunks und veranstalteten monatlich Vorträge. Baukästen für die private Konstruktion von Fernsehempfängern – wie vorher auch für Detektor- und Radioapparate – gab es seit 1929 bereits auf dem Markt.
Auf der Funkausstellung im Jahre 1934 in Hamburg hatte der Physikstudent Johann Gröber, damals 21 Jahre, seine Geräte (Sender und Empfänger) vorgeführt und auch im darauffolgenden Jahr zeigte er erneut in privatem Kreise seine Erfindungen, über die in Zeitungsmeldungen berichtet wurde.
Zwei weitere Ereignisse waren im Hinblick auf das Fernsehen in Hamburg von Bedeutung: Die 37. Mitgliederversammlung des Verbandes deutscher Elektrotechniker im Juni und die Hamburger Funkausstellung im Oktober 1935.
Am 20. Juni 1935 fand in Hamburg im Hinblick auf die Fernsehentwicklung eine Premiere statt: zum ersten Mal – 3 Tage nach der Auslieferung der fabrikneuen Geräte von Telefunken und Daimler – wurde auf dem Heiligengeistfeld anlässlich der 37. Mitgliederversammlung des Verbandes deutscher Elektrotechniker ein Wagenkonvoi plaziert und erprobt. Die Deutsche Reichspost hatte die erste fahrbare Fernsehsendeanlage bauen lassen: insgesamt 20 schwere Fahrzeuge gehörten zu dieser Produktionseinheit. „Staunend steht der Laie vor dem geheimnisvollen Apparaten, Maschinen und Geräten, Wunderwerken deutscher Technik“, weiß der Berichterstatter des „Hamburger Fremdenblattes“ am 17. 6. 1935 zu berichten.
Um die Qualität der Bilder und Töne zu testen, wurden 12 Empfangsstellen in Hamburg (u. a. Musikhalle, Technische Staatslehranstalten, Postamt Schlüterstraße) eingerichtet; fertig produzierte Filme über Sport und Kulturereignisse sowie Live- Sendungen vom Heiligengeistfeld wurden gezeigt. Der Empfang der Signale auf dem Hapagdampfer „Caribia“ (technisch keine Besonderheit) fand in der Hafenstadt natürlich besondere Beachtung.
Instrumentalisierung durch die NS-Ideologie
Autos, Schiffe, Eisenbahnen, Flugzeuge, Raketen: in den 20er und 30er Jahren wurde alles beschleunigt. Neue Weltrekorde zeigten, dass die Welt im Aufbruch war, dass alles akzeleriert wurde. Nie zuvor gab es so viele Patentanmeldungen wie in diesen Jahren. Auch das Fernsehen, insgesamt die elektromagnetische Datenvermittlung, wartete mit immer neuen Sensationsmeldungen auf. Die Technologiebegeisterung der Bevölkerung wurde 1933 sofort durch die Nationalsozialisten instrumentalisiert, und so waren die Eröffnungsreden durch die Ideologie gekennzeichnet.
So auch die Rede von Staatssekretär Wilhelm Ohnesorge, Mitglied in der NSDAP und späterer Reichspostminister, am 20. Juni 1935. Er hatte bereits am 18.12.34 Hitler eine Versuchssendung in der Reichskanzlei vorgeführt und pries nun in der Eröffnungsrede bei großem Beifall, dass für die Volksgemeinschaft zu arbeiten eine heilige Pflicht sei: „Vor allem wir Techniker und Ingenieure, in deren Betrieben alle Stände zur Arbeit vereint sind, können dieser Pflicht am ernstesten und mit Aussicht allergrößten Erfolges für Führer und Reich genügen“, so der Bericht der „Hamburger Nachrichten.“
Auch die Begrüßungsrede des Rektors der Hamburger Universität, damals Prof. Rein, endete nach dem Lob deutscher Techniker und deutscher Erfindungskraft im völkischen Gedankengut: „Wer aus dem Volke zum Volke strebt, ist wert, dass er im Volke lebt“ – so der Bericht in den „Hamburger Nachrichten“ vom 21. Juni 1935.
Als der Oberpostrat Dr. Fritz Banneitz, verantwortlich für das Fernsehen im Reichpostzentralamt in Berlin, dann das Wort ergriff, erwähnte er, dass die Industrie schon damals in der Lage war, genügend Fernsehgeräte herzustellen. Die Deutsche Reichspost hätte bereits mehrere Fernsehstellen in Berlin errichtet, so dass jeder sich kostenlos über den Fernsehempfang informieren könne. Die fahrbare Fernsehübertragungsanlage, die in Hamburg zu besichtigen sei, werde zum ersten Mal im Betrieb vorgeführt.
Fritz Banneitz war seit 1929 Mitglied im „Allgemeinen Deutschen Fernsehverein“ und gab die Fachzeitschrift „Fernsehen“ heraus, durch die die Öffentlichkeit besonders über technische Fortschritte aus dem Bereich der Television informiert wurde.
Die Hamburger Funkausstellung fand vom 12. bis 20. Oktober 1935 statt. Sie stand ganz im Zeichen eines neuen Zeitalters, in dem der „Fernseh-Volksapparat“ genutzt werden würde. Ein Fernseh-Sendewagen der Radio-Aktien-Gesellschaft Loewe sorgte für den Sendebetrieb. Das Motto lautete: „Jeder sieht fern“. Hauptanziehungspunkt waren der Sendewagen sowie sechs aufgestellte Fernsehempfänger, die das Fenster zur Welt repräsentierten.
Die Reden zur Eröffnung der Ausstellung hielten diesmal der Gaufunkstellenleiter Böker sowie der Präsident der Reichsrundfunkkammer Ministerialrat Horst Dreßler-Andreß. Beide betonten, dass der Reichsrundfunk insgesamt im Dienste der nationalsozialistischen Idee stünde und zum wichtigsten Instrument der NS-Staatsführung geworden sei.
In diesen Ansprachen wurde erneut deutlich, dass das Medium zum Herrschaftsapparat und Instrument der Propagandaarbeit umfunktioniert war. Dreßler-Andreß gehört zu den Schlüsselfiguren, die quasi aus der Befehlszentrale im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Joseph Goebbels) und als Präsident der Reichsrundfunkkammer (bis zum 19. März 1937) für die ideologische Kontrolle sorgten.
Das Berliner Programm im Hamburger Fernsehdrahtfunk
Bereits am 20.12.1938 genehmigte das Reichspostministerium die Versorgung mit dem Programm des Paul-Nipkow-Senders aus Berlin in Hamburg. Damit wurde der Fernseh-Drahtfunk eingeführt: das Breitbandkabel 503 von Berlin nach Hamburg übertrug neben dem Fernsehsignal weitere 200 Telefongespräche, endete im Fernamt Schlüterstraße und sollte an folgenden Orten öffentlich zugänglich sein:
Der Reichsstatthalter am Harvesterhuder Weg 10 sowie der Bürgermeister an der Bellevue 24 waren gleichermaßen durch eine Sonderleitung mit dem Fernsehsignal versorgt. Im Postamt Jungfernstieg war ein zusätzlicher Abtaster aufgestellt, der bei eventuellen Störungen ein Ersatzprogramm geliefert hat. Der Hamburger Fernseh-Drahtfunk wurde am 17. Juni 1941 eröffnet, musste 1943 wegen der Zerstörungen durch den Bombenkrieg aufgegeben werden.
Publizistisch wurde diese Phase nicht begleitet. Die Berliner Fernsehsendungen waren der Öffentlichkeit nicht zugänglich, sie wurden in Änderung der ursprünglichen Pläne für die Truppenbetreuung eingesetzt.
Im November 1943 hatten Brandbomben in Berlin die Fernsehsender zerstört, dennoch wurden bis in das Jahr 1944 Programme ausgestrahlt, „um unseren verwundeten Soldaten Erholung und Freude zu bringen. So verfolgt ein fester Zuschauerkreis die künstlerischen Entwicklung dieses neuen Instruments, das später einmal dem ganzen Volk gehören wird“, so eine Mitteilung der Reichsrundfunk- Gesellschaft in ihrem Januar-Heft 1944.
Fernsehgeräte in Privathaushalten waren nicht in Betrieb, der Zugang zum Kabel verwehrt. Nach dem Krieg wurden am 6.3.1946 die noch vorhandenen Apparaturen beschlagnahmt und mussten an England abgegeben werden. Ein Fernsehempfänger (Baujahr 1939) konnte lange Zeit im Hamburger Postmuseum besichtigt werden, er befindet sich z. Zt. jedoch im Arsenal.
Erfolglose Private Hamburgische Fernseh-Versuchs-Gesellschaft
Am 11.12.1942 erhielt die Hamburg-Amerika-Linie wichtige Post von der „Fachgruppe Reeder“ der Reichsverkehrsgruppe Seeschiffahrt. In diesem Schreiben wurde Bezug genommen auf ein Gespräch des Staatsrats, der den Wunsch des Reichskommissars für die Seeschiffahrt weitergegeben hatte, sich doch mit 4 Anteilen in Höhe von insgesamt RM 4.000.-- an einer Hamburgischen Fernseh-Versuchs-Gesellschaft zu beteiligen.
Umgehend, und zwar am 22.12.1942, wurde von der Finanzabteilung der Hamburg-Amerika-Linie der Betrag überwiesen. Man sah der Zustellung der Anteilscheine entgegen. Lange nach Beendigung des Krieges (am 24.4.1947) wurde vermerkt: „Anteilscheine sind nicht ausgegeben worden“. Die privatwirtschaftliche Beteiligung im Hinblick auf die Zukunftsinvestition Fernsehen war durch den Krieg zunichte gemacht worden.
Hamburg – das Tor für das Fernsehen im modernen Deutschland
Dass gerade in Hamburg das Fernsehen im modernen Deutschland beginnen sollte, ist den kriegshistorischen Unwägbarkeiten und Zufällen zuzuschreiben. Nur in Hamburg gab es nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 ein funktionsfähiges Funkhaus – natürlich zunächst ausschließlich für den Hörfunk geeignet, aber finanziell abgesichert.
Durch das Gesetz Nr. 191 der alliierten Streitkräfte war eindeutig definiert: den Deutschen war die Tätigkeit oder der Betrieb von „Rundfunk- und Fernseheinrichtungen“ verboten. Um die lebensnotwendigen Informationen sicherzustellen – die Papierknappheit ließ zunächst auch keine Lizensierung von Zeitungen zu – wurde der Hörfunk eingesetzt als Mittel der umfangreichen Information der Bevölkerung sowie als Mittel der Re-Education. Fernsehen – dies war für die Alliierten eine Technologie, die zu sehr an die Radartechnik sowie an die ferngesteuerte Raketentechnik, die in Peenemünde erprobt worden war, erinnerte. Die Folge war, dass jegliche Betätigung in diesem Bereich verboten war.
Die Fernsehtechniker, die bereits in der Weimarer Republik, dann aber auch in der Nazi-Zeit ihr technologisches Knowhow verbessern konnten, waren in alle Winde verstreut, waren in der Gefangenschaft oder ins Ausland gegangen. Einige wichtige Pioniere des Fernsehzeitalters, wie z. B. Manfred von Ardenne oder Walter Bruch waren in die Sowjetunion – teils freiwillig, teils gegen ihren Willen – gekommen, um ihre Forschungen dort weiterzutreiben.
Noch bevor der erste deutsche Generaldirektor des NWDR, Adolf Grimme, am 15.11.1948 die Geschäfte vom britischen Kontrolloffizier Hugh Carleton Greene übernahm, hat es Initiativen gegeben, ein Fernsehprogramm erneut zu etablieren. Bereits 1947 war Werner Nestel, der bei Telefunken gearbeitet hatte, technischer Direktor beim NWDR. Auf der Ebene der Technik wurden die Pläne für einen Neubeginn des Fernsehens vorangetrieben, wobei es vor allem Hans Joachim Hessling und seiner „Truppe“ gelang, an die frühere Fernsehentwicklung anzuknüpfen.
Administrative, technische und finanzielle Hürden mussten noch genommen werden, aber am 17.6.1950 konnte der inoffizielle Versuchsbetrieb aus dem Hochbunker am Heiligengeistfeld begonnen werden.
Aus heutiger Sicht gehört es zu den unerklärlichen Personalentscheidungen, dass Adolf Grimme, der im KZ leiden musste, das NSDAP-Mitglied Werner Pleister zum Programmdirektor Hörfunk berief. Er wurde später auch für das Fernsehen verantwortlich. Zusammen mit dem Oberspielleiter Hanns Farenburg fanden sich weitere frühere Mitarbeiter des NS-Fernsehens in Hamburg ein, so dass man von einer personellen Kontinuität sprechen kann.
Der offizielle Neubeginn eines kontinuierlichen Fernsehprogramms am 25.12.1952 war keine „Stunde Null“. Das Eröffnungsprogramm begann mit Ansprachen von Werner Nestel und Werner Pleister, Ansage und Regie: Hanns Farenburg.
Wenn im Jahre 2002 das Jubiläum 50 Jahre Fernsehen im modernen Deutschland gefeiert wird, wird es interessant sein, wie das Medium selbst, das nur der Gegenwart und seiner glorreichen Zukunft verpflichtet zu sein scheint, mit dieser Vergangenheit umgehen wird.